Was wir wollen, was wir tun Einige Fragen und meine Antworten darauf.

Auch, wenn ich das Folgende schon seit Monaten und etliche Male gesagt und geschrieben habe, scheint es momentan, in Zeiten, in denen nach Meinung einiger „die Stimmung kippt“ und Leute, von denen man das nie erwartet hätte, tatsächlich Dinge von sich geben, mit denen man so nicht gerechnet hat, unumgänglich zu sein, Einiges noch einmal klar zu sagen. Das will ich im Folgenden tun.
Zunächst einmal: die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln und anderswo waren grauenhaft, verabscheuungswürdig und kriminell. Mein ganzes Mitgefühl gilt den Opfern.

Was hat das mit Laubegast zu tun?
Nichts.

Muss ich mein Handeln, meine Vorhaben deswegen überdenken?
Nein.

Wie ist die Lage in Laubegast?
Derzeit leben bereits einige Flüchtlinge, aus Syrien, dem Iran und Afghanistan, in Laubegast. Wir treffen sie beim Deutschunterricht, beim Kaffee trinken in der Kirchgemeinde, beim gemeinsamen Sport, aber auch im Supermarkt. Zu unseren Deutschkursen, dem SprachTreff und zum Sport kommen schon seit Monaten Asylsuchende aus vielen Ländern, die in Laubegast arbeiten oder hier bzw. in den angrenzenden Stadtteilen leben.

Wir erwarten innerhalb der kommenden Wochen den Bezug des ehemaligen Hotels „Prinz Eugen“. Es werden dort aller Voraussicht nach knapp 100 eher junge Männer aus verschiedenen Ländern, die hier Asyl beantragt haben und deren Verfahren entsprechend laufen, einziehen. Diese Menschen werden bis zur Entscheidung über ihr Verfahren – dieses dauert momentan durchschnittlich ca. 5 Monate – in Laubegast leben.
Danach, also wenn eine Entscheidung über den Asylantrag gefallen ist, werden die meisten vermutlich Dresden den Rücken kehren. Und es werden neue Hotelbewohner kommen.

Wie finde ich diese Lösung?
Eine zentrale Heimunterbringung wie in diesem Fall ist eigentlich, verglichen mit der dezentralen Unterbringung, die eher schlechtere Variante. Das habe ich, haben wir auch stets betont. Will heißen, dass uns die Problemstellung natürlich durchaus bewusst ist.
Andererseits ist es nachvollziehbar, dass die Stadt aufgrund der hohen Zuweisungszahlen seitens des Landes und auch aufgrund der nicht ausreichenden Zahl geeigneter Wohnungen auf solche Lösungen zurückgreifen muss. Außerdem handelt es sich hier um eine vorübergehende, nicht um eine dauerhafte Unterkunft für die Betroffenen. Nach Abschluss des Verfahrens sind die Bewohner gehalten, aus der Unterkunft auszuziehen.

Die Lage des ehemaligen Hotels in einem Wohngebiet mit enger Bebauung und die Zahl der dort unterkommenden Asylsuchenden bringt einige Anwohner dazu, Ängste und Sorgen zu entwickeln. Diese kann ich, soweit sie nichts mit Vorurteilen und rassistischen Ressentiments zu tun haben, selbstverständlich nachvollziehen und nehme sie ernst. 

Ich bin aber der Meinung, dass es in diesem speziellen Fall der Unterbringung, verglichen mit anderen Heimlösungen, auch einige positive Aspekte gibt. So ist die räumliche Struktur in einem ehemaligen Hotel mit Gemeinschaftsräumen und mit Doppelzimmern, die jeweils über ein eigenes Bad verfügen, besser für eine zentrale Unterbringung geeignet als ein umgebautes Wohnhaus, in dem dann sechs und mehr Personen sich eine Wohnung teilen müssen. Die Einbindung in das Wohngebiet kann auch durchaus eine Chance sein, denn wenn die Bewohner das Gefühl bekommen, von der Nachbarschaft respektiert zu werden und sich dort gut aufgenommen, vielleicht gar für die begrenzte Zeit, die sie dort leben, heimisch fühlen, wird dies mit Sicherheit helfen, Probleme zu vermeiden.

Außerdem gibt es mit unserem Netzwerk eine breite Unterstützung aus der Bürgerschaft und mit dem Kinder- und Jugendhaus Chilli, welches wir für unsere Aktivitäten nutzen können, im Stadtteil und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hotel bereits etablierte Strukturen, die sehr hilfreich sein können und werden.

Wie mit Problemen umgehen?
Natürlich kann es, wenn fast 100 Männer unterschiedlicher Herkunft gezwungen sind, auf engem Raum zusammenzuleben, zu Konflikten kommen. Diese gilt es, nach Möglichkeit vorn vornherein zu vermeiden. Es ist wichtig, problematische Situationen rechtzeitig zu erkennen und zu entschärfen. Sollte es zu kriminellen Handlungen kommen, so werden diese selbstverständlich als solche der Polizei gemeldet und entsprechend geahndet.

Was tun wir und warum?
Alle Flüchtlinge, mit denen wir in den vergangenen Monaten zu tun hatten, berichten übereinstimmend, dass es zwei große Probleme gibt: erstens sind sie zur Untätigkeit verdammt, denn sie dürfen nicht oder nur nachrangig arbeiten und haben während des laufenden Verfahrens keinen Anspruch auf einen Sprachkurs, zweitens fehlt Ihnen der Kontakt zu den Einheimischen. Wir wollen versuchen, an diesen beiden Punkten anzusetzen. Wir bieten Deutschkurse, Begegnungsnachmittage, Freizeitaktivitäten und Sport an, um einerseits eine Begegnung mit den Bürgern zu ermöglichen (alle Angebote stehen selbstverständlich auch Menschen mit deutschem Pass offen), andererseits aber auch die Chancen für eine erfolgreiche Integration zu erhöhen. Wir bieten Beratung und praktische Hilfe an, zum Beispiel bei Behördengängen, wir fragen schon jetzt immer auch die berufliche Qualifikation ab und tragen Angebote von Firmen und Institutionen für Praktika, Jobs und Ausbildungen an die Flüchtlinge heran. Mit Hilfe von Patenschaften ist direkte, praktische Hilfe mit wenig Aufwand möglich, schon jetzt sind auf diese Weise Freundschaften entstanden, und etlichen Flüchtlingen konnten wir in unterschiedlichster Weise helfen. 

Außerdem sind uns noch zwei Punkte sehr wichtig: einerseits ist es unerlässlich, den Flüchtlingen auch unsere Werte, Regeln und unsere Form des Zusammenlebens nahe zu bringen und sie damit vertraut zu machen. Die gelingt durch offenen Gespräche, aber ebenso beispielsweise durch Vorträge zum Rechtssystem, zum Schulsystem und zur Demokratie. Auch verteilen wir entsprechende Flyer oder z.B. das Grundgesetz in den Muttersprachen an die Asylsuchenden. Wir wollen und werden natürlich immer Ansprechpartner für diese Themen sein, diese offensiv angehen, die Diskussion darüber suchen und Fragen dazu beantworten.
Andererseits ist es, gerade in einer solchen Unterkunft, wichtig, die Bewohner selbst Verantwortung übernehmen zu lassen, ihnen bei der Selbstorganisation behilflich zu sein. Wir werden auch im Hotel präsent sein und die Bewohner dabei unterstützen. Wir wollen ihnen die Möglichkeit geben, auch uns und sich untereinander etwas beizubringen, sich sinnvoll zu betätigen, ihre Fähigkeiten und Erfahrungen einzubringen. Momentan haben wir zum Beispiel bereits eine Gruppe von Deutschen, die arabisch lernt und einen jungen Mann aus Afghanistan, der im Netzwerk mitarbeitet und kulturelle Angebote vorbereitet. Wir haben auch Sprachschüler aus dem Iran, aus Syrien und aus Eritrea, die uns als Dolmetscher behilflich sind und sein werden. Da ist noch vieles möglich.

Was wollen, was können wir erreichen?
Unser Ziel ist es, die neuen, zeitweisen Bewohner von Laubegast vorurteilsfrei aufzunehmen und ihnen die Chance zu geben, unsere Sprache zu lernen, eine berufliche Perspektive zu entwickeln und sich in unsere Gesellschaft zu integrieren. Damit meine ich nicht Assimilation, sondern Integration. Ein paar Einflüsse aus fremden Kulturen können uns sicher gut tun.

Es wäre schön, wenn diese Bemühungen auch dazu führen würden, einige der vorübergehenden Bewohner Laubegasts dazu zu bewegen, im Stadtteil oder zumindest in Dresden zu bleiben, sich hier niederzulassen. Auch dabei wollen wir behilflich sein.

In welchem Umfang dies alles gelingen kann, werden wir sehen. Ehrenamtliches Engagement hat natürlich Grenzen, aber schon jetzt haben wir viele, die sich in vorbildlicher Weise einsetzen und viel Zeit investieren. Unsere Erfahrungen zeigen zudem, dass wir für unsere Arbeit viel Positives zurückbekommen, und das motiviert uns stets aufs Neue.
Vermutlich, das ist uns natürlich klar, wird auch der eine oder andere dabei sein, den wir schwer erreichen, der die Sprache nicht lernen will oder kann, der die Wichtigkeit der Integration nicht erkennt. Viele, vor allem aus Syrien, wollen zudem, sollte sich die Situation in ihrer Heimat ändern, wieder zurück. Dies alles müssen wir ins Kalkül ziehen und versuchen, auch diese Menschen zu erreichen.

Ein letzter wesentlicher Punkt ist natürlich die Begegnung mit den Bürgern. Diese ist besonders wichtig, und wir wollen alles dafür tun, dass sie auch stattfindet, gelingt und beide Seiten einander näher bringt. Wir tun dies schon seit Monaten sehr erfolgreich, und wir möchten auch die eher skeptischen, die sorgenvollen und ängstlichen Bürger ansprechen und ihnen Mut machen, mit unserer Hilfe auf die neuen Mitbürger zuzugehen, sie kennenzulernen. Dies ist der erste Schritt zu einer Integration. Und wenn die Bewohner des ehemaligen Hotels ihre Nachbarn und die Laubegaster kennen und alle einander besser verstehen lernen, dann kann das nur von Vorteil sein.

 

Die Hilfe für Flüchtlinge und deren Integration in unsere Gesellschaft ist eine große Aufgabe, zu der wir als Bürgernetzwerk mit zur Zeit ca. 200 ehrenamtlich engagierten Bürgern aus Laubegast einen Teil beitragen können und werden. Wir haben jetzt die Chance, sogenannte Parallelgesellschaften durch gegenseitiges Verständnis und Integration zu vermeiden, und wir wollen sie nutzen. Es wird Veränderungen in unserer Gesellschaft geben, aber wir selbst haben es in der Hand, wie diese aussehen. Sie können zu unser aller Vorteil sein, unser Leben vielfältiger und bunter machen. Wir müssen nur, ohne Blauäugigkeit, aktiv mitgestalten, und genau das tun wir.

Ich sage es abschließend noch einmal ganz deutlich: bei dieser Aufgabe darf es ebenso wenig Platz für Menschenfeindlichkeit geben wie für Sozialromantik, hier geht es um Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft und Pragmatismus.

Claus Dethleff
Netzwerkkoordinator, im Januar 2016